Bundeselternrat: Resolution (Folgerungen aus PISA und IGLU)

18.05.2003

 

Resolution der Frühjahrsplenartagung des Bundeselternrates vom
16.-18.05.2003 in Ludwigsfelde

 

Thema: Notwendige Entwicklungen in den Schulen nach PISA und IGLU.
Welche Entwicklungen sind nach den Schulleistungsvergleichen an den deutschen Schulen unbedingt erforderlich? Was können die an den Schulen zusammen arbeitenden Gruppen zur Verbesserung der schulischen Leistungen beitragen? Welche Maßnahmen haben andere Länder der Welt in den letzten Jahren eingeleitet und welche Maßnahmen lassen sich übertragen?

Die internationalen Vergleichsuntersuchungen TIMSS und PISA

haben für die Sekundarstufe I der deutschen Schule ein schlechtes Ergebnis ausgewiesen. Die Grundschulen mit ihrem integrativen Ansatz liegen dagegen bei IGLU im Mittelfeld. Gleichwohl zeigt auch IGLU, dass die begabungsgerechte Förderung der Schüler[1] nur unzureichend gelingt.

Die bildungspolitische Debatte muss mit dem Bewusstsein erfolgen, dass ein zukunftsfähiges Bildungsangebot entscheidend für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist.
Die aktuelle Diskussion darf sich nicht auf Einzelfragen beschränken, sondern muss das ganze System im Blick haben.
Dazu sind Ziele der Bildung zu definieren und ihre Evaluation abzusichern.

In den letzten Monaten haben Viele eine ideologiefreie und vorbehaltlose Diskussion sowie Änderungen gefordert. Leider wird die Diskussion in vielen Ländern der Bundesrepublik bereits wieder aus partei- und verbandspolitischen Interessen geführt. Ursachen werden subjektiv bewertet und fragwürdige Maßnahmen eingeleitet.

Schule muss Kompetenzen vermitteln und Chancengleichheit sicherstellen. Eine gemeinsame Schule für alle ist der Weg dazu. Alle Schulen müssen alle Schüler individuell fördern und fordern.

Eine Verbesserung der Unterrichtspraxis und der Lehrerbildung fordert der Bundeselternrat seit Jahrzehnten. Die Professionalität der Lehrer1 muss systematisch verbessert werden. Die Entwicklung einer guten Schule erfordert Personal, das diesen Prozess verantwortlich durchführt. Gemeinsame Zeit, Teamarbeit, Reflexion und Absprachen sind deshalb unerlässlich. Die Schule muss der Arbeitsort für Lehrer sein. Andere Professionen müssen die Schule selbstverständlich unterstützen.

Vorschulische Einrichtungen sind Bestandteil des Bildungssystems. Die Übergänge von Kindergarten zu Schule, innerhalb der Schulen, bis hin zu den Hochschulen sind in Kooperation von abgebenden und aufnehmenden Institutionen zu organisieren.

 

Der BER fordert:

  • ·        Wahrnehmen von Begabungen, Erkennen von Stärken und Schwächen bei Schülerinnen und Schülern, individuelle Förderung und individuelle Lern- und Entwicklungspläne
  • ·        Recht auf sonderpädagogische Maßnahmen und Förderung an allen Schulen
  • ·        Ausbildung der Lehrer zur Diagnose- und Beratungsfähigkeit
  • ·        Training der Schüler zu Selbstständigkeit und Selbstbeurteilung
  • ·        Zutrauen in die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft der Schüler
  • ·        Lernen aus Fehlern zulassen
  • ·        Transparentes Beurteilungssystem verbunden mit Eigenbeurteilungen: Entwicklungswahrnehmung (Portfolio) der Schüler sowie Rückmeldungen durch Lehrer, auch an Eltern
  • Freigabe des Elternwillens , freie Schulwahl bei intensiver, kontinuierlicher Beratung der Eltern durch die Schule
  • Kein Sitzenbleiben und kein Abschieben in andere Schulformen

 

Abbau von bürokratischen Strukturen:

  • ·        Entwicklung zu Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit der Schulen mit öffentlicher Rechenschaftslegung
  • ·        Qualifizierung und Stärkung der Schulleitung, grundsätzliche Berufung auf Zeit
  • ·        Personal der Schule ist grundsätzlich in einer Auswahlkommission zu wählen, der Lehrer, Eltern und Schüler angehören
  • Regelmäßige interne und externe Evaluation mit konkreten Unterstützungsmaßnahmen für Schulen und Lehrer
  • Veränderung der Schulaufsicht zu einem schulbegleitenden und unterstützenden Service
  • ·        Experimentierklauseln in allen Schulgesetzen auch zu Fragen der Kooperation unterschiedlicher Schultypen und –formen miteinander
  • ·        Bessere Zusammenarbeit mit den Eltern und eine individuelle Beratung der Eltern und Schüler
  • ·        Öffnung der Schulen für Eltern
  • ·        Bessere Ausstattung von Schulen mit Sachmitteln, Räumen, Bibliotheken und Personal

 

Der BER fordert nationale und internationale Leistungserhebungen bei Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Angesichts des verfassungsrechtlichen Gebots vergleichbarer Lebensverhältnisse in Deutschland ist es unerlässlich:

Bundesweite Bildungsstandards zu entwickeln, die für alle gelten, und die regelmäßig überprüft und fortgeschrieben werden. Schulformspezifische Ausprägungen darf es nicht geben.
Eine nationale Bildungsagentur zu schaffen, die länderübergreifend nationale Entwicklungen begleitet und hilft, länderspezifische Unterschiede abzubauen.

Die Kultusminister müssen die bildungspolitische Kleinstaaterei überwinden und mehr als in der Vergangenheit zur Zusammenarbeit und zur Abstimmung kommen. Der BER fordert auch zukünftig die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern, an der die Eltern zu beteiligen sind.

Der Bundeselternrat fordert und fördert eine offene Diskussion über die Schulstrukturen und das Bildungssystem in allen Ländern der Bundesrepublik und eine umfassende und unabhängige Information der Eltern über die Auswirkungen der Schulstrukturen auf die Qualität der Bildung.

 

[1] Personen- und Funktionsbezeichnungen in diesem Text gelten selbstverständlich in der weiblichen und männlichen Form

  

 

zurück ...