Presseschau im Mai 2006 |
PRESSESPIEGEL Von Peter U. Meyer Eltern, Lehrer und Schüler haben zwei Stunden lang beim Schulforum von NDR 90,3 und Hamburger Abendblatt in der Axel-Springer-Passage mit vier Bildungsexperten diskutiert. Im Brennpunkt stand die Frage, wie das Schulsystem der Zukunft aussehen soll. DIETER WUNDER: Wir müssen uns der Härte der PISA-Untersuchungen stellen: 20 bis 30 Prozent der Schüler erreichen nicht das, was sie eigentlich in der Schule erreichen sollen - die so genannten Risikoschüler. Das ist eine Katastrophe für die Schule, denn das heißt, dass diese Schüler geringe oder keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Es kommt hinzu: Der Hauptschulabschluss ist entwertet worden, weil die Abgänger kaum mehr Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben. KAREN MEDROW-STRUSS, Vorsitzende des Elternvereins: Selbst mit einem mittelguten Realschulabschluss haben Kinder heute kaum mehr eine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Es gibt Schüler, die ohne Erfolg 180 Bewerbungen losgeschickt haben. HANS-JOACHIM WAGNER: Ich bin gegen den Begriff Risikoschüler. Nach den PISA-Kriterien sind fast alle unsere Hauptschüler Risikoschüler. Wir tun unseren Jungen und Mädchen aber bitter Unrecht, wenn wir alle schon sprachlich in eine Ecke stellen. Es gibt Schüler, die sich in der Klasse querstellen, was Verhalten und Lernbereitschaft angeht, aber ein Großteil der Hauptschüler ist besser als ihr Ruf. ABENDBLATT: Konkret, wie hoch ist der Anteil derjenigen. die die Hauptschule abbrechen, und derjenigen, die Probleme im Unterricht bereiten? WAGNER: Bei 25 Schülern gibt es von der achten Klasse an zwei bis drei auffällige Schüler pro Klasse. Die Abbruchquote beträgt ein bis zwei Schüler pro Klasse. HOLGER GISCH: Es gibt Defizite in den Elternhäusern. Deswegen sind außerschulische Förderungen so wichtig. Wir müssen die Eltern stärker motivieren, Bücher anzuschaffen und mit ihren Kindern zu lesen. Entscheidend ist aber das Umdenken in der Grundschule. Hier müssen die Defizite abgebaut werden. MICHAEL GOEDEKE, Hamburger Arbeitsstiftung: In Hamburg ist es uns gelungen, bei Unternehmen ein Umdenken zu bewirken. In den letzten Jahren ist die Quote der Hauptschüler, die einen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten haben, verdoppelt worden. Das ist das Entscheidende: Lernen braucht eine Perspektive. MUTTER: Große Klassen tragen auf jeden Fall nicht dazu bei, besser und motivierter zu lernen. Hier könnte Senatorin Dinges-Dierig schon anfangen. ALEXANDRA DINGES-DIERIG: Für kleinere Klassen fehlt das Geld, aber auch der Beweis, dass die Lernleistungen automatisch besser werden. Wir müssen die Diagnosefähigkeit der Lehrer verbessern. Es geht darum zu erkennen, was die Kinder können und was nicht. Und: Regeln und Werte, die das menschliche Zusammenleben bestimmen, wie Pünktlichkeit oder Fleiß, müssen an Schulen noch selbstverständlicher werden. EDITH AUFDEMBRINKE, Dago Kinderlobby: Wir brauchen ein neues Schulsystem. Unser System, das 200 Jahre alt ist, würdigt die Kinder herab. Sie lernen nicht, sie werden belehrt. Kinder müssen sich wohl fühlen in der Schule und so lernen, wie es ihnen von Natur vorgegeben ist. HAUPT- UND REALSCHULLEHRERIN: PISA hat gezeigt, dass unser dreigliedriges Schulsystem versagt hat. Ein Beispiel: Ich habe zurzeit eine zehnte Klasse, die in den Prüfungen ist. Einige Schüler sind schon 19 Jahre alt. Mehr als die Hälfte der Schüler besteht aus Rückläufern vom Gymnasium. WUNDER: Es gibt kein Patentrezept. Ich bin für die Gesamtschule, sehe aber die gesellschaftliche Realität: Wenn die Hälfte der Eltern ihre Kinder auf das Gymnasium schicken will, kann die Politik das nicht ausblenden. Also scheidet der Weg, das dreigliedrige Schulwesen durch die Gesamtschule abzulösen, derzeit aus. Zu lösen ist die Frage, wie das Schulwesen neben dem Gymnasium so geordnet werden kann, dass Schüler bestmöglich gefördert werden und der Weg zum Abitur nicht verbaut wird. DINGES-DIERIG: Mein Vorschlag ist ein Zwei-Säulen-Modell: Der eine Weg führt klar und direkt zum Abitur - das Gymnasium. Die zweite Säule ist vom Aufbau her alternativ, umfasst die anderen Schulformen und kann auch zum Abitur führen - sei es in 13 oder 14 Jahren. Es muss aber etwa nach Klasse sechs möglich sein, die Entscheidung für die eine oder andere Säule zu korrigieren. GISCH: Meine Sorge ist, dass die zweite Säule zu einer Restsäule wird, wenn deutlich weniger als 50 Prozent der Schüler sie anwählen. Schließlich haben wir schon jetzt rund 35 Prozent so genannte Problemschüler. Hamburger Abendblatt, 11. Mai 2006 Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2006/05/11/561652.html
Bericht
vom Schulforum „Hamburg sucht Wege aus der Schulkrise“, am 9. Mai
2006, 19.05 bis 21.00 Uhr, NDR 90,3 / Hamburg nach 7, eine Live
Außenübertragung aus der Axel Springer Passage, unter anderen mit
Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU), Holger Gisch (Vorsitzender der
Elternkammer Hamburg), Dieter Wunder (früherer GEW-Bundesvorsitzender).
Oberstufe: Abschied vom Kurssystem Reform: Bildungssenatorin: Deutsch, Englisch und Mathematik bis zum Abitur. Studierfähigkeit soll erhöht werden. GAL sieht Senatorin „auf dem Weg zurück in die Vergangenheit“. Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) will das System der Grund- und Leistungskurse in der gymnasialen Oberstufe abschaffen. Im Zentrum der Reform der Klassen 11 bis 13 steht die Einrichtung der drei Kernfächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprache. Diese drei Fächer müssen alle Schüler durchgehend mit vier Stunden pro Woche belegen. Sie sind zugleich Prüfungsfächer im Abitur - anders als bisher. Statt vier gibt es künftig fünf Prüfungsfächer. Ein neues Element in der Oberstufe ist der Profilbereich - ein Fächerpaket mit zehn bis zwölf Wochenstunden zu einem Themenfeld. Im Zentrum steht ein profilgebendes Fach auf erhöhtem Anforderungsniveau und vier Stunden pro Woche. Die Schulen sollen nach dem Willen von Dinges-Dierig ihre Profile selbst entwickeln. Für ein Profil „Sprache, Literatur und ästhetische Erziehung“ könnte die Fächerverteilung so aussehen: die zweite Fremdsprache als profilgebendes Fach, daneben Geschichte, Musik, bildende Kunst und darstellendes Spiel. Für ein Profil „System Erde – Mensch“ könnte Geographie im Zentrum stehen mit Biologie und Informatik als weiteren Fächern. Das letzte Drittel des Stundenplans umfassen die weiteren Fächer, die nicht im Profilbereich enthalten sind. Die Belegauflagen für die Schüler sollen sich gegenüber den jetzigen Regelungen nicht verändern. „Wir wollen mit der Reform die Allgemeinbildung vertiefen und die Studierfähigkeit erhöhen“, sagte Dinges-Dierig. „Die Universitäten müssen jetzt vielfach Brückenkurse im ersten Semester anbieten, damit die Studenten die ersten Scheine schaffen. Das kann nicht sein.“ Die Abiturienten müssten mit der Hochschulreife die Schulen verlassen. Besondere Probleme bereiten laut Dinges-Dierig die Englisch-Kenntnisse den Schulabgängern. „Ein großer Teil der wissenschaftlichen Literatur ist auf Englisch verfasst.“ Deswegen müssen die Oberstufenschüler durchgehend vier Stunden pro Woche Englisch lernen. „Die Reform produziert neue Probleme“, kritisierte Wilfried Buss (SPD). „Eltern müssen ihre Kinder schon in der fünften Klasse mit der Schulwahl auf die Profile einer Schule festlegen.“ GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch sieht die CDU auf dem Weg „zurück in die Vergangenheit“. Für die Studierfähigkeit sei Methodenkompetenz gefragt und nicht nur Fachwissen. Buss sieht es als Fehler an, auf die fünfstündigen Leistungskurse zu verzichten. „Vier Stunden sind vertretbar“, sagte Dinges-Dierig. pum Hamburger Abendblatt, 11. Mai 2006 Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2006/05/11/561655.html
Oberstufenreform - Lernen nach Spar-Profil
SPD-Neumann favorisiert CDU-Vorschlag
Quelle: Newsletters Schule der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft
|